Samstag, 9. Mai 2009

Archäologie und die Öffentlichkeit

Die Inflation der Sensationen

Da ist sie schon wieder, die archäologische Sensation. Da wurde wieder einmal eine Figur, ein Figürchen eher, gefunden. Alt ist sie, uralt, wahrscheinlich die bislang älteste gefundene Frauendarstellung - eine Sensation! Moora, die älteste in Niedersachsen gefundene Moorleiche - eine Sensation, ebenso, wie das Schlachtfeld am Harzhorn, diesmal das jüngste römische Schlachtfeld mitten in Germanien - eine Sensation.
Alle diese Funde und Entdeckungen sind archäologisch außerordentlich spannend und eröffnen dem interessierten Menschen neue und oft unerwartete Erkenntnisse.
Es sind aber leider nicht diese zu erwartenden Erkenntnisse, die die Öffentlichkeit -und hier vor allem die Medien- die jeweiligen Funde als Sensation wahrnehmen läßt. Nein, als Sensation gilt das jeweils Älteste, das Größte. Ohne noch so weit hergeholten Superlativ keine Sensation, die Archäologischen Entdeckungen, Fälle für das Guinness- Buch der Rekorde.
Eine Sensation wäre es wahrscheinlich, wenn der Pressepräsentation archäologischer Besonderheiten auch eine dem Gegenstand angemessene besondere Berichterstattung folgen würde. Eine Sensation wäre, wenn Archäologie auch dann ein Thema in den Medien wäre, wenn sie nicht als Sensation präsentiert würde. Stattdessen schneller Nachrichtenjournalismus, der Aktualität wegen zehnmal ab- und umgeschrieben von den Meldungen einschlägiger Agenturen, ein paar Moorleichenbilder im Abendmagazin und dann das mediale hoffen auf die nächste Sensation.
Die eigentlichen Sensationen der Archäologie werden vor diesem Hintergrund kaum wahrgenommen: die unglaubliche Entwicklung der Untersuchungs- und Erkenntnismöglichkeiten. Damit ist nicht nur die Technologische Entwicklung, also das technische Werkzeug gemeint, sondern vor allem die Herangehensweise an Untersuchungsprojekte, die Fragestellungen, die methodische Konzeption, die Interpretationsansätze, die Interdisziplinarität. Die Sensation sind nicht in erster Linie die Funde, sondern das, was sie einem bei der richtigen Fragestellung alles sagen können.

Mit investigativen Grüßen

Ihr

Wolfgang Schwerdt

Webnews

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