Montag, 8. Juni 2009

Die beispiellose Offensive des Werra-Meißner-Kreises


oder wie sich Nordhessen selbst feiern

Unter der Überschrift „Jetzt tut sich richtig was!“ feiert der nordhessische ExtraTip eine offensichtlich teure bundesweite Plakataktion, die die Menschen aus Deutschland dazu bewegen sollen, in den aussterbenden Werra-Meißner-Kreis zu ziehen. Und der Redaktionsleiter setzt in seinem Kommentar „Schluss mit höflicher Bescheidenheit“ noch einen drauf. Den Menschen, so das unglaublich kreative Konzept der Kampagne, soll gezeigt werden, dass es sich in einer Region wie dem Werra-Meißner-Kreis, also umgeben von wunderschöner Natur, mehr lohnt, zu leben, als in der stressigen und anonymen Großstadt.
Ja, dass Natur Lebensqualität bedeutet, das muss den Bundesbürgern unbedingt einmal gesagt werden, von allein kommt ja niemand darauf. Hier zeigt sich wieder einmal die geballte intellektuelle und kreative Kraft, die sich aus dem ewigen Zusammenspiel von Provinzpolitikern, Provinzblättchen, Provinzverbänden aus Wirtschaft und Tourismus und Provinzgeldinstituten generieren lässt.
Qualifizierte Arbeitsplätze in der Region –Fehlanzeige. Zusammenarbeit der Gemeinden und Kommunen im Interesse der Bürger – Fehlanzeige. Qualifizierte, professionelle regional koordinierte Tourismus- Marketing- und Öffentlichkeitsarbeit mit überregionaler Ausrichtung – Fehlanzeige. Qualifizierte Arbeitsmarktprojekte in der Region – Fehlanzeige. Und auch die Kreativität des gefeierten 50+ Programmes beschränkt sich im Wesentlichen auf bunt Bedrucktes.
Stattdessen als Marketing verkaufte Werbung –vor allem wohl für die wahlkämpfenden Provinzpolitiker- in die sich auch der neue Tourismusprospekt eingliedert, den sich die auswärtigen Deutschen über das Internet bestellen, oder in den hiesigen, gut versteckten und schlecht ausgestatteten Tourismusinformationen ja auch selbst abholen können. Auch dieser Prospekt natürlich großartig und im Wesentlichen von dem gleichen Personenkreis gefeiert, der sich selbstverständlich in gewissen Teilen auch über das von den Verantwortlichen ein wenig flapsig organisierte, aber mit tollen Werbeflyern ausgestattete Römerspektakel in Hedemünden darzustellen wusste.
Mit Werbung wird man die im Landkreis selbst produzierten und immer wieder reproduzierten Probleme sicher nicht lösen. Man kann aber versuchen, sie zu verheimlichen, wie das Beispiel des Römer-Events zeigt. So hat der Extra-Tip im Bericht über das hedemündener Spektakel am vergangenen Wochenende, zu dem auch der Nachbau des römischen Schiffes „Victoria“ herangekarrt worden war, mit einem getürktem Bild untermauert geschrieben, dass mehrere Ruderer gebraucht wurden, um das Schiff in Fahrt zu bringen. Abgesehen davon, dass auch diese Feststellung zeigt, welches intellektuelle Niveau den Lesern unterstellt wird (wäre ja sonst niemand darauf gekommen, dass man für den Antrieb eines Ruderschiffes Ruderer benötigt), konnte das Schiff tatsächlich gar nicht in Fahrt gebracht werden, die Wassertiefe an dieser Stelle reichte zum Manövrieren nicht aus. Aber die Werbung hatte ja versprochen, dass die Besucher mit dem Schiff auf der Werra ihre Runden drehen könnten und der Bericht hatte das natürlich bestätigen müssen.

Die "Victoria", fest vertäut "in Fahrt" gebracht. Foto Wolfgang Schwerdt


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