Montag, 28. September 2009

Der Wille der Wähler

Wahlbeteiligung und Demokratie

Nun haben wir den Salat: Da produziert die Politik aufwändige Werbekampagnen (wer hat die eigentlich bezahlt?) und versucht unter Einbeziehung von Prominenten aus Sport und Show, die inzwischen offensichtlich die eigentliche politische Klasse verkörpern, die Wähler an die Urne zu bringen und dann das: Eine Wahlbeteiligung auf historischem Tiefstand und die in diesem Zusammenhang als Schreckgespenst angeführten Braunen sind trotzdem ohne Bedutung geblieben. Zweifellos ein Sieg der Demokratie. Nicht unbedingt der Demokratie der herrschenden Parteien, sondern des Demokratieverständnisses der Bevölkerung -ganz offensichtlich zwei verschiedene Dinge.

Der statistische Wählerwille hinsichtlich der Regierungsparteien war diesmal eindeutig und nur schwer umzuinterpretieren. Glücklicherweise, denn welche Politikkonstellationen sich in der Vergangeheit in Bund und Land auf den Wählerwillen berufen haben, war schon mehr als abenteuerlich und letztendlich nicht gerade Ausdruck eines ernsthaften Demokratieverständnisses der politischen Akteure. Nun aber ist das Ergebnis klar: die Wähler wollen tendenziell immer weniger das, wofür CDU/CSU und SPD, die drei deutlichen Wahlverlierer, stehen. Und immerhin rund ein Viertel der Wahlbevölkerung, die Partei der Nichtwähler, wollen dieses rein Partei- und Machtpolitisch orientierte Demokratieverständnis gar nicht mehr.
Und erschreckend zudem: Man darf sicher sein, dass die Prominentenkampagne tatsächlich mehr Wähler an die Urnen gezogen hat, schließlich ist über diese Kampagnen ein großer sozialer Druck auf jene ausgeübt worden, die ihr demokratisches Recht in Anspruch nehmen wollten, auszudrücken, dass sie sich eben nicht mehr von dieser Gesellschaft und ihren Kandidaten vertreten fühlen, dass es in userem Land ein paar Millionen Menschen gibt, die ganz faktisch und im täglichen Leben von der politischen Teilhabe und aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind, egal, welche Parteienkonstellation die Regierung übernimmt und nahezu egal, welche Gesetze diese dann auf den Weg bringt. Den tatsächlichen Legitimationsverlust der Politik ohne die Kampagne kann man nur erahnen.

Vielleicht folgender Rat an Parteien und Politiker: politische Legitimation muss man sich nun einmal ganz praktisch verdienen und zwar bei allen, von denen man diese Legitimation erhalten möchte. Sprüche und Slogans sind zwar gut geeignet in den Medien und der virtuellen Welt, viele Menschen dieses Landes leben aber noch immer in der materiellen Realität, auch beispielsweise von Hartz IV, dem einzigen Teil des sozialen Netzes, das für die Betroffenen Menschen -gesetzlich festgelegt- ausdrücklich ausschließlich Daseinsvorsorge leistet und damit die politische und gesellschaftliche Teilhabe mangels entsprechender Mittel faktisch ausschließt.
Übrigens ist das der Teil des sozialen Netzes, auf das ausgerechnet der SPD- Kandidat Steinmeier so stolz ist und der es im Wahlkampf in geradezu menschenverachtender Weise mit dem Argument verteidigt hat, dass ansonsten die Probleme der Finanzkrise nicht mit den entsprechenden Milliarden hätten bewältigt werden können. Steinmeier hat sich im Laufe des Wahlkampfes irgendwie zum idealtypischen konservativen deutschen Politikervertreter gemausert und das Wahlvolk hat das gewürdigt. Gut, dass Steinmeier, ebenso wie die anderen Politiker gar nicht auf das Wahlvolk angewiesen ist. Nach dem jämmerlichen Versagen seiner Partei mit ihm als Spitzenkandidaten, übernimmt er nun die politische Verantwortung. Rücktritt? Nein, natürlich nicht, Rücktrit ist eine andere Art von politischer Verantwortung. Steimeier ist auch in dieser Hinsicht intellektuell ebenso kreativ, wie bei Hartz IV. Er übernimmt die politische Verantwortung für das klägliche Versagen, indem er einfach nicht aus derselben flieht, sondern sich nun gleich zum Oppositionsfüher und damit zum potenziellen nächsten Kanzlerkandidaten erklärt.
Ein Politikwechsel oder gar Demokratie ist vor diesem Hintergrund etwas ganz anderes als die Beseitigung der grossen Koalition.

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