Montag, 1. November 2010

Die Bundesregierung: das Deutsche Zentralinstitut für Absatzförderung

Vom Wohlfahrts- zum Wirtschaftsstaat

Keine Frage, es gehört zu den staatlichen Aufgaben, geeignete Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen – auch für die Wirtschaft. Der von der Bundesphysikerin und ihren Ministergroupies längst fallen gelassene Gedanke des Wohlfahrtstaates hatte zumindest den Ausgleich zwischen Gesellschaft und Wirtschaft als Zielsetzung. Aber das ist längst vorbei, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sind inzwischen Eines geworden, wie sich unter anderem an der seit Jahren eingeführten Konsumgesetzgebung zeigt.

Richtig deutlich wurde die Abkehr vom bürgerlichen Recht zur zunächst gesetzlichen Konsumförderung und nun zur gesetzlichen Konsumpflicht, als die angebliche Finanzkrise willkommenen Anlass gab, für die Autoindustrie mit der sogenannten „Abwrackprämie“ die nachlassende „Kauflust“ der Bürger wieder anzukurbeln.

Der postsozialistische Geniestreich

Das postsozialistische Gesellschaftsbild der Bundesphysikerin scheint unglaublich einfach zu sein. Auf der einen Seite gibt es die Produktion, die produziert Waren und damit Werte und gesellschaftlichen Reichtum. Auf der anderen Seite stehen die Konsumenten, die haben zu kaufen und damit den gesellschaftlichen Reichtum zu realisieren. Und schon funktioniert Gesellschaft. In diesem einfachen Gesellschaftsmodell reicht es völlig aus, die Produktion – auch die unrentabelste - durch arbeitslosengesetzliche Niedrigstlöhne zu fördern und den Konsum durch „Fördern und Fordern“ zu garantieren.

Nicht Menschen, sondern Zahnräder machen eine Gesellschaft

Fördern allein reicht natürlich nicht aus. Sicherlich war die Abwrackprämie nicht schlecht, aber nun muss auch die Unterstützung der Zuliefererindustrie her, um das Produktions- Konsum- Gleichgewicht wieder herzustellen. Man kann die einfältige Kreativität unsrer Regierung nicht genug bewundern: Ein Gesetz zum Kaufzwang von Winterreifen – darauf muss jemand, der noch dem Rechtsverständnis des Bürgerlichen Gesetzbuches anhängt, erst einmal kommen. Aber eigentlich ist es doch klar, wenn Gesellschaft funktionieren soll, dann müssen die Gesellschaftsmitglieder ja auch ihre jeweilige Funktion erfüllen. Die Gesellschaft ist physikalisch gesehen ein Mechanismus. Der Industriemanager funktioniert als Garant für grenzenlose Warenproduktion, der Niedriglöhner als Garant für Wertschöpfung wettbewerbsunfähiger Betriebe, Hartz IV mit seiner Zwangsdequalifizierung als Garant für die Aufrechterhaltung des Niedriglohnsektors, der Zwangskonsument als Garant für den Absatz überflüssiger Produkte und „Leistungen“ – in diesem Zusammenhang sei noch an die in dieser Hinsicht konsequente Gesundheitsreform erinnert.

Kapitalismus als die bessere DDR

Weg mit alten Vorstellungen. Vertragsfreiheit –überkommene liberale Vorstellungen des vorletzten Jahrhunderts. Menschenrechte – braucht man nicht, wenn die Gesellschaft nur aus Funktionseinheiten besteht. Wenn sich alle an das Merkel’sche Funktionsmodell halten und sich beispielsweise über den neuen Personalausweis mit zusätzlichen Konsumfunktionen endlich ihrer gesellschaftlichen Aufgabe unterordnen, dann ist endlich erreicht, was die DDR nie geschafft hat. Irgendwie hatten die dortigen Machthaber offensichtlich noch gewisse Skrupel, was die Durchsetzung des notwendigen Konsumzwangs betrifft. Der durch Finanzkrise und Wirtschaftsaufschwung inzwischen überflüssigen Demokratie sei Dank: heute kann man Produktion und Konsum endlich planen und ins Gleichgewicht bringen. Endlich die angestrebte Befriedigung der gesellschaftlichen Bedürfnisse durch Planwirtschaft. Und der wichtigste Schritt in diese Richtung wurde in den letzten Jahren ebenfalls konsequent vollzogen: nach Auftragsvergabe aus politischem Amt, die Auftragsabwicklung in unternehmerisch verantwortlicher Position - wer will schon auf Dauer von steuerfinanzierten Transferleistungen leben. Hier kommt zusammen, was zusammengehört. Da soll noch einmal jemand sagen, von der DDR sei nichts mehr übriggeblieben.

1 Kommentar:

  1. Hallo Herr Schwerdt,
    bin eben über den Suite Facebookaccount hier gelandet. Nun bin ich ja auch schon eine Weile bei Suite und habe manche Ihrer Forenbeiträge mit Schmunzeln oder auch achtungsvoll gelesen. Aber dieser Kommentar von November hat es mir wirklich angetan. Sehr treffend und nichts von seiner Aktualität eingebüßt.
    Grüße, Rainer Hitzler

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