Dienstag, 16. August 2016

Von Beruf Genie?

Wenn der Sprung in der Schüssel zum Kassenschlager wird

Was habe ich nicht schon für Tests auf Facebook mitgemacht. Und alle kommen zu den gleichen Ergebnis: Ich bin ein Genie!
Klar, das wusste ich natürlich schon vorher. Aber bei soviel Bestätigung habe ich mir gedacht, dass ich meine Facebook-zertifizierten Höchstbegabungen vielleicht zum Beruf machen könnte. Beispiele für Berufsgenies liefert uns das Unterhaltungsfernsehen doch zu Hauf. Da gibt es die Crime Scene Investigatoren um Frau Bones, die Hypergeniale Scorpiontruppe, die Ermittler Holmes oder Mr. Monk und nicht zuletzt den legendären Dr. House, um nur einige Beispiele zu nennen.

Wie auch ich (beglaubigt durch Facebook!) verfügen diese genialen Geister über eine übernatürliche Beobachtungsgabe, ein sagenhaftes Kombinationsvermögen, messerscharfen Verstand und natürlich – offensichtlich eine Grundvoraussetzung für das Dasein als Genie – ein unerschütterliches Selbstbewusstsein. Letzteres könnte allerdings (Sweets wird mir da zustimmen) auch als Kompensationsreaktion auf die soziale Isolation begriffen werden, die mit dem Fluch der Genialität einhergeht. Überhaupt, die irgendwann gar nicht mehr unterhaltsamen Geistesriesen aus dem kriminellen, geheimdienstlichen, elektronischen oder medizinischen Milieu haben alle einen Sprung in der Schüssel. Soziale Kompetenz ist hier in der Regel Fehlanzeige oder muss mühsam mit Hilfe von Normalos (bezogen auf den IQ) erlernt werden.

Genies haben eine unbegrenzte Biofestplatten-Speicherkapazität

Bei genauerer Betrachtung verfügen die meisten der Seriengenies über einzigartige Einzelbegabungen. Auffällig dabei, dass fester Bestandteil dabei die Computergleiche Speicherkapazität der genialen Biofestplatten ist. Während sich der Drehbuchautor das seinen Protagonisten haufenweise eingepflanzte Halbwissen zuvor mühsam aus dem Internet zusammenklauben muss, spucken diese dasselbe dem ehrfürchtig glotzenden Publikum im Sekundentakt entgegen. Leider verstehen in der Regel weder der Drehbuchautor, noch die Protagonisten, noch die Zuschauer etwas von den aufgegriffenen physikalisch/chemisch/technischen Themen. Wie auch, schließlich dürften die wenigsten von ihnen selbst zur Gruppe der Hyperbegabten gehören.

Genies als empathieunfähige Biocomputer

Das mit dem Sprung in der Schüssel beziehungsweise der sozialen Inkompetenz oder auch mangelnden Empathie scheint sich inzwischen als Charakteristikum für Genialität durchgesetzt zu haben. Vorbei die Zeiten, als ein menschlich ganz normal geprägter McGyver den Zuschauer mit der Umsetzung seines genialen Halbwissens beeindrucken konnte. Charakteristika wie autistische Tendenzen, mühsam kaschierte Menschenverachtung oder Beziehungsunfähigkeit machen in der Unterhaltungsindustrie und damit beim Otto-Normalzuschauer heute ein Genie aus. Das verblüffende: Durch dieses Genieverständnis wird selbst der größte IQ-Tiefflieger zum Höchstbegabten. Und auch Deutschland wird endlich vom Land der Dichter und Denker zum Land der Genies, wie sich auch angesichts der Flüchtlingsproblematik zeigt.

Erkenntnis: Ich will kein Genie sein

Nein, ich habe mir die Vorstellung, Berufsgenie zu werden, abgeschminkt. Klar, ich verfüge über eine Reihe von Fähigkeiten (darunter möglicherweise auch Besondere) und werde sicherlich auch die eine oder andere persönliche Macke haben. Vom heute landläufig kursierenden Genieverständnis bin ich jedoch meilenweit entfernt. Das bedeutet natürlich den Verzicht auf einen einträglichen, vielleicht sogar steuerfinanzierten Job in Politik oder Wirtschaft. Und so werde ich weiter mein (sorry Facebook) geniales Licht unter dem Scheffel halten und mich dem Schreiben (kann ja jeder ;-) ) widmen. Nebenbei werde ich entsprechend meiner bescheidenen Möglichkeiten (denn mit dem Schreiben verdient man im Allgemeinen nicht so viel) noch Menschen und Tieren helfen, die der Hilfe bedürfen (ungeachtet von Religion, Genialität, Nationalität etc.). Und wenn es sich ergibt, erlaube ich mir ab und an auch noch eine Problemlösung à la McGyver (Prinzip: Wissen, Denken, Helfen).

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