Wenn der Sprung in der Schüssel zum Kassenschlager wird
Was habe ich nicht schon für Tests auf Facebook mitgemacht. Und alle kommen zu den gleichen Ergebnis: Ich bin ein Genie!
Klar, das
wusste ich natürlich schon vorher. Aber bei soviel Bestätigung habe ich mir
gedacht, dass ich meine Facebook-zertifizierten Höchstbegabungen vielleicht zum
Beruf machen könnte. Beispiele für Berufsgenies liefert uns das
Unterhaltungsfernsehen doch zu Hauf. Da gibt es die Crime Scene Investigatoren
um Frau Bones, die Hypergeniale Scorpiontruppe, die Ermittler Holmes oder Mr.
Monk und nicht zuletzt den legendären Dr. House, um nur einige Beispiele zu
nennen.
Wie auch ich
(beglaubigt durch Facebook!) verfügen diese genialen Geister über eine übernatürliche
Beobachtungsgabe, ein sagenhaftes Kombinationsvermögen, messerscharfen Verstand
und natürlich – offensichtlich eine Grundvoraussetzung für das Dasein als Genie
– ein unerschütterliches Selbstbewusstsein. Letzteres könnte allerdings (Sweets
wird mir da zustimmen) auch als Kompensationsreaktion auf die soziale Isolation
begriffen werden, die mit dem Fluch der Genialität einhergeht. Überhaupt, die
irgendwann gar nicht mehr unterhaltsamen Geistesriesen aus dem kriminellen,
geheimdienstlichen, elektronischen oder medizinischen Milieu haben alle einen
Sprung in der Schüssel. Soziale Kompetenz ist hier in der Regel Fehlanzeige
oder muss mühsam mit Hilfe von Normalos (bezogen auf den IQ) erlernt werden.
Genies haben eine unbegrenzte
Biofestplatten-Speicherkapazität
Bei
genauerer Betrachtung verfügen die meisten der Seriengenies über einzigartige
Einzelbegabungen. Auffällig dabei, dass fester Bestandteil dabei die
Computergleiche Speicherkapazität der genialen Biofestplatten ist. Während sich
der Drehbuchautor das seinen Protagonisten haufenweise eingepflanzte Halbwissen
zuvor mühsam aus dem Internet zusammenklauben muss, spucken diese dasselbe dem
ehrfürchtig glotzenden Publikum im Sekundentakt entgegen. Leider verstehen in
der Regel weder der Drehbuchautor, noch die Protagonisten, noch die Zuschauer
etwas von den aufgegriffenen physikalisch/chemisch/technischen Themen. Wie
auch, schließlich dürften die wenigsten von ihnen selbst zur Gruppe der
Hyperbegabten gehören.
Genies als empathieunfähige Biocomputer
Das mit dem
Sprung in der Schüssel beziehungsweise der sozialen Inkompetenz oder auch
mangelnden Empathie scheint sich inzwischen als Charakteristikum für Genialität
durchgesetzt zu haben. Vorbei die Zeiten, als ein menschlich ganz normal
geprägter McGyver den Zuschauer mit der Umsetzung seines genialen Halbwissens
beeindrucken konnte. Charakteristika wie autistische Tendenzen, mühsam
kaschierte Menschenverachtung oder Beziehungsunfähigkeit machen in der Unterhaltungsindustrie
und damit beim Otto-Normalzuschauer heute ein Genie aus. Das verblüffende: Durch
dieses Genieverständnis wird selbst der größte IQ-Tiefflieger zum Höchstbegabten.
Und auch Deutschland wird endlich vom Land der Dichter und Denker zum Land der
Genies, wie sich auch angesichts der Flüchtlingsproblematik zeigt.
Erkenntnis: Ich will kein Genie sein
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