Deutschland geht es gut!
Alle vier Jahre erstellt
das Bundesarbeitsministerium einen „Armutsbericht“. Und der Diesjährige macht
seinem Namen tatsächlich alle Ehre. Hinsichtlich dessen, was der Bürger von
einem Bericht erwartet, darf das
Papier – wie der Tagesschaubeitrag vom 28.11.2012* belegt - durchaus als armselig
gelten. In Bezug auf wichtige Informationen ist das Elaborat ebenfalls eher als
arm zu bezeichnen.
Aber inzwischen unterliegt der Bürger ohnehin einer
gravierenden Fehleinschätzung, wenn er glaubt, Regierungsberichte, Gesetze oder
Ähnliches hätten irgendetwas mit gesellschaftlichen Realitäten zu tun. Denn –
wie hier bereits mehrfach dargestellt – ist mit Deutschland ja nicht die Gesellschaft,
sondern sind mit diesem Schlagwort lediglich die politischen und
wirtschaftlichen Profiteure von Krisen und Armut gemeint. Und in diesem Sinne
ist es natürlich völlig richtig, wenn sinkende Reallöhne in der überarbeiteten
Fassung des „Berichtes“ als "Ausdruck struktureller Verbesserungen"
am Arbeitsmarkt verstanden werden. Völlig unsinnig hingegen die Vorstellung von
verschärften Armutsrisiken. Die existieren ja nun wirklich nicht für
Deutschland und alle, die nicht dazugehören, haben natürlich auch keinen
Anspruch darauf, im Bericht erwähnt zu werden.
Die Meinung eines
Wiedergängers
Der Bericht ist in all seinen Facetten eine Zustands- und
Standortbeschreibung der Bundesregierung. Da geht es – wie Philipp Rösler
feststellt – um „die Meinung der Bundesregierung“. Und wer sich fragt, warum
ausgerechnet Rösler – sozusagen als politischer Wiedergänger - seinen Senf dazu
gibt, der sei – auch wenn er es kaum glauben kann - daran erinnert: Philipp
Rösler und nicht Josef Ackermann ist Bundeswirtschaftsminister. Und der kann
natürlich nur für sein Deutschland sprechen. Nein, von Verwässerung,
Verschleierung und Beschönigung – wie die Opposition und Gewerkschaften die
redaktionelle Überarbeitung des Berichts zur sozialen und mentalen Armut der
Bundesregierung bezeichnen - kann nun wirklich keine Rede sein. Man muss
einfach nur wissen, auf was sich das Elaborat bezieht und wes Geistes Kind es ist.
Und was den immer wieder von Regierungsgegnern ins Feld
geführten sozialen Sprengstoff betrifft – völliger Blödsinn. Bevor sich die Bürger
außerhalb des Regierungsdeutschland zum Aufstand gegen die Obrigkeit hinreißen
lassen, muss schon ein Regierungssprecher versehentlich die magischen Worte
fallen lassen: „Ab sofort darf jeder . . . .“.
Ein positiver Bericht
und der Aufbruch in eine strahlende Zukunft
Eines ist an der ganzen Geschichte aber tatsächlich
bemerkenswert: Die kritische Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung, und ihr
Aufgreifen im Rahmen der Tagesschau (die sich ja ansonsten wie die meisten
Medien auf die „Nachrichtenagentur“ BILD verlässt). Sollten die kürzlichen Zeitungsinsolvenzen
vielleicht auch dazu geführt haben, dass sich die etablierten Medien darauf
besinnen, dass sie eigentlich für ihr Publikum und nicht für das
Regierungsdeutschland schreiben? Sollte die wirtschaftliche Drucksituation etwa
einem kritischen, gar unabhängigen Journalismus förderlich sein? Immerhin ist
bald Weihnachten und da sollen ja bekanntlich Wunder geschehen. Wenn ja, dann
wünsche ich mir noch viele „Berichte“ aus dem Regierungsraumschiff Deutschland.
Mit regierungsfreundlichen Grüßen
Ihr
Wolfgang Schwerdt
Tagesschau 24 11:30 Uhr, 28.11.2012
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