Wolfgang Schwerdt im Gespräch mit Scan Dahl (Name wurde
geändert)
Wolfgang Schwerdt |
Scan Dahl |
In der letzten Zeit
häufen sich die Skandale, man denke da nur an Pferdefleisch in der Lasagne,
Zeitarbeit bei Amazon, Rücktritt des Papstes oder falsch deklarierte
Hühnereier. Schon fast in Vergessenheit geraten: Ärztepfusch, Krankenhauskeime,
Doktorarbeiten, Berliner Flughafen, Finanz- und Bankenskandale,
Sexismusskandal, Verfassungsschutzskandal und vieles andere mehr. Manche dieser
Skandale halten sich länger, manche schaffen es nicht mal in die top ten der medialen
Bestseller. Schon lange wird in gewöhnlich gut satirisierenden Kreisen
spekuliert, dass ein System dahinterstecken könnte. Oft wirken Zeitpunkt und
Art der Skandalenthüllungen aufeinander abgestimmt und so manch aufmerksamem
Beobachter beginnen gewisse Gemeinsamkeiten der Skandalzyklen aufzufallen. Und
nachdem erst kürzlich auf Facebook und Twitter der Begriff Skandaldesigner ©
auftauchte, hat sich nun mit Scan Dahl auch jemand gefunden, der – im Gespräch
mit Wolfgang Schwerdt – erstmals ganz offen (allerdings inkognito) über die
Existenz einer geheimen Skandalindustrie redet, deren Protagonisten wie Dahl
selbst professionell ausgebildete Skandaldesigner© sind.
Schwerdt: Herr
Dahl, sie haben sich bereiterklärt, mit „Alien-Connections“ über die Skandalindustrie
zu reden. Sie selbst waren jahrelang sogenannter Skandaldesigner©, eine Berufsbezeichnung, die in
der Öffentlichkeit bislang noch gar nicht bekannt war. Heute lehren Sie nach
eigener Aussage Skandaldesign©
an der Universität des Verfassungsschutzes. Was ist eigentlich ein Skandaldesigner©
und warum haben wir bisher noch nichts davon gehört?
Dahl: Eigentlich
gibt es den Beruf des Skandaldesigners©
als langjährigen Ausbildungsberuf aber auch als Studiengang bereits seit der
Wiedervereinigung. Das hatte damals mit den Stasiakten zu tun. Immerhin war die
Gefahr groß, dass nicht nur die Stasivergangenheit der samt Vermögen nahtlos in
die bundesdeutsche Parteienlandschaft übergegangenen Blockparteien, sondern auch die westdeutscher
Politiker ans Tageslicht kommen könnte. Immer wenn diese Gefahr drohte, mussten
zur Ablenkung irgendwelche Skandale her. Am Anfang war das noch einfach, denn
man hatte ja mit der PDS und dem SED-Vermögen eine hervorragende
Projektionsfläche für Ablenkungsmanöver. Mit der Zeit aber wurde es
schwieriger, denn irgendwann erschöpfen sich solche Mechanismen und neue Ideen
müssen her. Und so entstand der Beruf des Skandaldesigners. Im Grunde fließen
hier die Qualifikationen des Marketing, des Lobbyismus, der Machtpolitik, der
Öffentlichkeitsarbeit aber auch der geheimdienstlichen Tätigkeit hinein. Und
klar ist: ein Skandal, als dessen Urheber ein Skandaldesigner© auszumachen ist, ist kein Skandal
mehr, oder schlimmer noch, lässt sich nicht mehr steuern.
Schwerdt: Das
erklärt schon einmal, warum die Öffentlichkeit bislang noch nie etwas von diesem
Beruf gehört hat. Aber nach nunmehr bald
25 Jahren Wiedervereinigung muss doch eigentlich die Luft aus diesem Markt raus
sein. Zumindest das Arbeitsfeld Stasivergangenheit müsste doch inzwischen ein
Auslaufmodell sein.
Dahl: Ja
natürlich, ist es doch schon lange. Es gibt
- wie die aktuelle Gysi-Geschichte zeigt – noch ein paar, die sich damit
eher mühsam ihren Lebensunterhalt verdienen, aber im Grunde ist dieser Markt
schon seit fast 10 Jahren tot und die Branche hat sich längst weiterentwickelt.
Denn der Beruf des Skandaldesigners© verlangt – will er erfolgreich sein – auch
ein gehöriges Maß an Kreativität. Und so haben sich die Skandaldesigner© eben neue Arbeitsfelder
erschlossen. Korruption von Politikern ist da nur eines der vielen
Arbeitsfelder, die in vielerlei Hinsicht interessant sind. Und längst dienen die
solide gestalteten Skandale nicht mehr nur der Ablenkung von echten Skandalen,
haben nicht mehr nur defensiven Charakter. Es gibt jetzt zunehmend auch die
Offensivskandale – wie wir sie in der Branche nennen. Dieses Geschäft floriert
inzwischen dermaßen, dass wir tatsächlich Mangel an qualifiziertem Nachwuchs
haben. So eine Panne wie mit Brüderle, wo uns ein Laie, eine Hobbyskandaldesignerin
ins Handwerk gepfuscht hat, ist ein deutliches Indiz dafür.
Schwerdt: Was
meinen Sie mit Offensivskandalen und wie kommt so etwas überhaupt zustande?
Dahl: Skandaldesigner
sind Freiberufler, die zur Tarnung in Medien, Parteien, Beratungsunternehmen,
Lobbyverbänden oder sonstwo arbeiten und von verschiedener interessierter Seite
Aufträge erhalten. Die Auftraggeber können aus der Politik aber auch der
Wirtschaft kommen. Bestes Beispiel der Amazon-Skandal. Sie wissen ja, dass es
in der Buchbranche heiß her geht und ein ziemlich verbissener Kampf um Marktanteile
stattfindet. Die Amazon-Geschichte war diesbezüglich hervorragend konzipiert. Da
gab es eine Zeitarbeitsfirma, die Amazon Arbeitskräfte lieferte und diese in
Zusammenarbeit mit einem Sicherheitsunternehmen unter menschenunwürdigen
Bedingungen unterbrachte. Die Skandalkampagne schaffte es, Amazon zum Täter zu
machen und eine Reihe interessanter Fragen bis heute einfach auszublenden. Wenn
in den Medien von Zeitarbeit und Verstößen gegen Arbeitsrecht- und
Menschenwürde die Rede war, dann immer am Beispiel Amazon – eine zweifellos
gelungene Kampagne – andere, vergleichbare Unternehmen wurden gar nicht mehr
überprüft.
Schwerdt: Und was
hätte es sonst noch für Fragen geben können?
Dahl: Nun ja, uns,
die wir die Kampagne geplant hatten, waren da eine ganze Menge eingefallen, schließlich gehört zu unserer Ausbildung auch
noch solides journalistisches Handwerk, durch das wir den meisten der heutigen
Medienschaffenden immer einen Schritt voraus sind. Aber die entsprechenden
Ablenkungspläne mussten wir nicht einmal aus den Schubladen holen. Da wäre die
Frage, für welche Unternehmen die Sicherheits- und die Zeitarbeitsfirma noch gearbeitet
haben. Welche Rolle spielen eigentlich die regionalen Job-Center bei der Arbeitskräfte-Beschaffung
für Amazon und und und. Na ja, und nicht zuletzt hätte sich natürlich auch die
Frage gestellt, warum solche Aufregung über Arbeitsrecht und Menschwürde bei
Amazon, angesichts der Situation bei den kirchlichen Einrichtungen – ach ja,
dieser Skandal ist ja wieder aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden.
Schwerdt: War
letzteres beabsichtigt?
Dahl: Ach wissen
Sie Herr Schwerdt, ich werde hier natürlich nicht unsere Auftraggeber nennen. Aber
natürlich gibt es auch Synergieeffekte und Interessensgemeinschaften, die man
auf den ersten Blick nie miteinander in Zusammenhang bringen würde. Und dann
gibt es tatsächlich auch noch ungeplante Skandale, die mit entsprechenden
professionellen Instrumenten unter Kontrolle gebracht werden müssen.
Schwerdt: Würden
Sie unseren Lesern vielleicht auch dafür
ein Beispiel nennen?
Dahl: Ich denke
da an den geschickt abgewehrten Pferdefleischskandal. Als die erste Nachricht –
völlig unbeabsichtigt übrigens – von Pferdefleischspuren in der Lasagne an die
Öffentlichkeit kam, wussten wir, jetzt muss schnell gehandelt werden. Denn die
Gefahr, dass die Hersteller oder Handelsketten in Verruf geraten könnten, weil
sie solche Produkte möglicherweise in Kenntnis der Fleischpanschrei - schließlich
haben die ja auch ihre Labore – in Umlauf gebracht haben, war natürlich groß.
Stattdessen ist es uns gelungen die Supermärkte und Discounter zu Opfern anonymer
ausländischer Rohstofflieferanten zu machen und noch bevor jemand länger
darüber nachdenkt, den Eierskandal hinterherzuschieben.
Schwerdt: Wollen
Sie damit sagen, dass sie die Öffentlichkeit und die Medien beliebig
manipulieren können?
Dahl: Na ja, wir
sind halt Profis und ein wenig stolz bin ich natürlich schon auf unsere Arbeit.
Aber beliebig geht das natürlich nicht, denn auf der jeweils anderen Seite
arbeiten ja auch Profis. Aber schauen Sie mal, wenn es bei Amazon gelingt, dieses
zum Täter und aus den Handelsketten Opfer zu machen und dabei gleichzeitig die
kirchlichen Institutionen aus der Schusslinie zu nehmen, dann ist das doch ein
überzeugender Leistungsbeweis der Skandaldesignerbranche.
Schwerdt: Herr
Dahl, wir danken für das Gespräch.
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