Erst heute
ist sie mir wieder einmal aufgefallen: Die exakte Täterbeschreibung in den
deutschen Medien. In einem nordhessischen Städtchen wurde eine Tankstelle
überfallen, das Auto hatte laut Radiosender ein Lüneburger Kennzeichen, die
beiden Täter ein ausländisches Aussehen. Ich bin stolz ein Deutscher zu sein,
obwohl mir persönlich diese göttliche Gabe der präzisen Beobachtung, die seit
Jahren in Form von „ausländisches, nordafrikanisches, arabisches etc. Aussehen“
durch die mediale Berichterstattung geistert, völlig abgeht. Auffällig
ebenfalls, dass das inländische oder deutsche Aussehen als Täterbeschreibung wohl
keine Fahndungshilfe und insofern in den Medien keiner Erwähnung wert zu sein
scheint.
Ich
persönlich bin leider nicht in der Lage, das Aussehen eines Menschen einer
geographischen Region, einem Kontinent oder einem Land zuzuordnen. Es fällt mir
bereits schwer, einen Nordhessen bäuerlichen Aussehens von einem Thüringischen
Landwirt zu unterscheiden, sowohl vom Aussehen als auch von der Sprache. Beide
klingen in meinen Berliner Ohren irgendwie ausländisch. Wie schön, dass es
echte Deutsche Menschen gibt, denen die nationale Zuordnung nach Aussehen so
leicht fällt. Aber natürlich darf ein niedersächsisches Städtchen (Lüneburger
Kennzeichen!) im Bundesland Hessen durchaus als Ausland begriffen werden. Daran
muss ich mich als Zugereister noch gewöhnen. Ich selbst schaue Menschen an und mich
quälen sofort Fragen wie: Ist das vielleicht ein Inländer mit ausländischem
Aussehen? ein Ausländer mit inländischem Aussehen? Ein Inländer mit
inländischem Aussehen . . . ?
Präzision
ist gefragt
Und dann schweifen
meine Gedanken in Details ab. Was, wenn es sich bei den Tätern um einen
hessischen Ausländer mit bayerischem Aussehen und niedersächsischen
Migrationshintergrund handelt, dessen Optik eindeutig auf einen Anhänger
muslimischen Glaubens nordostjemenitischer Ausprägung schließen lässt. Oder
könnte es sich um Skandinavier, Russen, Amerikaner, Franzosen, Briten oder
Holländer handeln? Waren es vielleicht Täter typisch irischen Aussehens, so mit
Sommersprossen und knallroten Haaren, wie beispielsweise Chris de Burgh? Könnten
die Täter ausländischen Aussehens vielleicht Regierungsmitglieder oder
Bankmanager sein? Täter sind sie jedenfalls. Ich mag das nicht entscheiden, das
überlasse ich lieber den inländisch aussehenden christlich-abendländischen Befreiungsfronten
und ihrer Zusammenarbeit mit der Lügenpresse.
Deutschland,
geht’s dir wirklich noch gut?
Ich selbst könnte
bestenfalls Aussagen zum Teint eines Menschen und vielleicht noch gewissen Gesichtsmerkmalen
machen. Na gut, asiatische Gesichtszüge sind durchaus markant – zumindest wenn
es um die mongoloiden Erscheinungsformen geht. Und sicher gibt es auch
zahlreiche Versionen dunkler bis schwarzer Hautfarbe, die in größerer Zahl auf
dem afrikanischen, amerikanischen, australischen oder asiatischen Kontinent
anzutreffen sind. Aber was hat das Aussehen mit der Staatsbürgerschaft zu tun?
Oder gibt es noch andere Kriterien für die Zuordnung Inland-Ausland? Ich kenne
keine. Aber ich bin sicherlich kein typischer Deutscher und ich bin Atheist.
Kein Wunder, dass mir diese Fähigkeit der Zuordnung zu ethnischen, nationalen,
religiösen oder kriminellen Gruppen allein nach Augenschein völlig abgeht.
Schlimmer, ich persönlich glaube nicht einmal an den Fahndungsnutzen solcher
Täterbeschreibungen. Aber glücklicherweise verfüge ich über ein im
christlich-abendländischen Sinne inländisches Aussehen, auch wenn mein Maßstab zur
Beurteilung von Menschen sich nicht aus abendländisch-religiöser Abgrenzung sondern
aus den menschenrechtlichen Prinzipien unserer Verfassung der Kultur der
Aufklärung und ihrer demokratischen Traditionen ableitet.
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