Sonntag, 17. Mai 2009

Parallelwelten - oder germanische Zustände

Deutschland heute - ein Land der tausend Welten

Da fordern die Milchbauern von der EU niedrigere Milchquoten, um den Milchpreis künstlich in die Höhe zu treiben, erwarten von den Verbrauchern, dass sie mit ihrem sauer erarbeitetem oder als Transferleistung in Form von ALG II erhaltenem Geld, über den Kauf teurer Milchprodukte die Existenz der Milchbauern als Milchbauern sicherstellen. Eine merkwürdige Welt, in der (nicht nur) die Milchbauern da gedanklich leben, so, als habe die industrielle Revolution hierzulande nie stattgefunden und als seien Zunftregeln noch immer die Grundlage unserer Verfassung.

Natürlich, vieles spricht für diese Weltsicht, es sei nur an die körperschaftlichen Organisationsformen im Gesundheitswesen und im Handwerk erinnert, die ebenso wie die Landwirtschaft eine besondere Stellung außerhalb unseres normalen gesellschaftlichen Systems innehaben. Und nicht zu vergessen, die Politik, die sich als politische Klasse ungeniert eigene Gesetze und Regeln hinsichtlich Kriminalität (in der Politik und den obersten Etagen der Wirtschaft ja lediglich Fehler) Moral, Verantwortung, Versorgung etc. beschließen und sich damit ebenfalls außerhalb unserer Gesellschaft stellt.
Und dann Opel. Unabhängig von der seit Jahrzehnten bekannten Tatsache, dass die Automobilindustrie nicht nur schrumpfen, sondern sich grundsätzlich umstrukturieren muß, dass Opel allein keinen Bestand haben kann, dass Opel als GM-Bestandteil sehenden Auges in die Pleite gesteuert ist, dass die vorgeblichen Interessenten an Opel ohne massive staatliche "Beihilfen" eben doch kein Interesse an Opel haben, wird hier ein Bild von der zwingenden Notwendigkeit des Existenzerhaltes des als erfolgreiche deutsche Traditionsmarke verkauften amerikanischen Teilunternehmens gezeichnet. Ja, in welcher Welt leben wir denn?
Ach ja, da gibt es noch die Welt der Normalbürger, die nach den bürgerlichen Gesetzen leben müssen, denen keine Privilegien eingeräumt werden, und deren gesellschaftliche Existenzgrundlagen in all den Parallelwelten, die von ihnen leben, entweder nicht verstanden werden oder einfach nicht von Interesse sind.
Das erinnert irgendwie an germanische Verhältnisse zur Zeit des Varus. Ein Sammelsurium an Gefolgschaftsverbänden, die mal gemeinsam, mal gegeneinander agieren und sich immer wieder erfolgreich der Errichtung einer gemeinsamen gesellschaftlichen Basis und der Auflösung korporativer Strukturen entziehen.


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