Zur Schweinegrippe und anderen Bedrohungen
Es ist schon zum Schweinemelken. Da haben wir eine Krise unvorstellbaren Ausmaßes, die Finanzkrise nämlich, oder besser gesagt die Krise der Spekulationsgewinne, und immer noch ist die Bevölkerung davon nicht sonderlich beeindruckt und lebt einfach weiter. Trotz täglicher Medienberichte, hochkarätiger Wissenschaftler- und Politikerrunden, die versuchen, das Publikum von der existenziellen Bedeutung des derzeitigen Finanzwesens zu überzeugen und der Notwendigkeit, Spekulationsverluste durch internationale Geldspritzen in Billionenhöhe auszugleichen, reagiert dieses nach wie vor gelassen. Fast verzweifelt klingen daher die Nachrichten, die meist mit „ . . . trotz Finanzkrise . . .“ beginnen.
Aber nun, mit der Schweinegrippe, da ist nun endlich etwas über uns gekommen, das uns wirklich berührt, das wirklich etwas bewegt. Niemanden interessiert, dass die ganz normale Grippe, dass unsere verkannten einheimischen Influenzaerreger, Jahr für Jahr zahlreiche Todesopfer fordern. Damit wir uns für etwas interessieren, muss es offensichtlich exotisch sein und medial gehypt werden. Da spielt es keine Rolle, wie zuverlässig die Informationen –etwa über die Zahl der Todesopfer in Mexiko- sind.
Um hier nicht missverstanden zu werden: natürlich muss auf die Bedrohung eines unbekannten Erregers, der Pandemie- Potential mit ungewöhnlich hoher Mortalität hat, reagiert werden. Aber schon bei der Vogelgrippe durfte man es als irritierend empfinden, dass angesichts der ausländischen Invasoren, die Ärzte von den zuständigen Behörden darüber informiert werden mussten, wie man eine Grippe von einem stinknormalen Schnupfen unterscheidet und wie man diagnostisch und therapeutisch damit umgeht. Auch bei der Schweinegrippe ist das nun wieder der Fall, und man fragt sich gelegentlich, von wo die Bedrohung eigentlich ausgeht.
Na ja, so eine exotische Pandemiebedrohung hat auch sein Gutes. Die Ärzte erfahren mal wieder, was eine Grippe ist und die Firma, die das Grippemittel herstellt, dessen namentliche Erwähnung in kaum einem Medienbeitrag fehlen darf, verzeichnet eine Steigerung ihres Aktienkurses. Und so sieht man, dass auch eine pandemische Bedrohung und wahrscheinlich auch andere Bedrohungsszenarien finanz- und wirtschaftskrisentechnisch gesehen nicht zu verachten sind. Vor allem dann, wenn die Krise der Finanz- und Aktienspekulanten, die zugegebenermaßen dank massiver staatlicher Unterstützungen längst vorbei und in eine handfeste Wirtschaftskrise mit langfristigem Inflationspotential übergegangen ist, von der Bevölkerung einfach ignoriert wird.
Dass Bedrohungsszenarien durchaus etwas bewegen können, zeigt die Varusschlacht vor 2000 Jahren. Wünschenswert wäre, beispielsweise bei der Berichterstattung über die zahlreichen bundesweiten Jubiläumsveranstaltungen zu diesem Thema, dass auch hier ein Medienhype entstehen würde. Hier geht es um Kulturgeschichte und vor allem um Bildung, ein Wirtschaftsgut, dass letztendlich mehr zur Bewältigung von Krisen und auch Pandemien beitragen kann, als Geld. Denn Geld ohne Bildung dient nur der Finanzwirtschaft, aber nicht den Menschen. Bildung allerdings scheint, betrachtet man das Niveau so mancher Berichterstattung, kein wirkliches Epidemie- oder Pandemiepotential zu haben und ist daher wahrscheinlich einem Medienhype kaum zugänglich.
Mit epidemischen Grüßen
Ihr
Wolfgang Schwerdt
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